Entspannung in Sachen Fachkräftemangel? Für viele KMU leider nicht in Sicht. Wir zeigen Ihnen, was ein aktives «Talentmanagement» bringt und welche Möglichkeiten Sie haben.
Die neuste AXA KMU-Arbeitsmarktstudie zeigt: Die Ansprüche von Mitarbeitenden stellen KMU vor zunehmende Herausforderungen. So fragen sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer: «Was kann ich tun, damit die richtigen Personen Lust haben, in meiner Firma zu arbeiten – und zu bleiben?»
Talentmanagement umfasst alle Massnahmen, die Unternehmen ergreifen, um gezielt Arbeitskräfte mit viel Potenzial – sogenannte «Talente» – anzuziehen, zu entwickeln und zu binden.
Allerdings ist der Ansatz, gezielt besondere Talente anzusprechen, unter HR-Fachleuten teils umstritten, wie Susanne Ziörjen erklärt. Sie ist Produktmanagerin für Personalentwicklung bei der AXA und der Meinung: «Für viele Firmen ist Talentmanagement im ursprünglichen Verständnis nicht mehr zeitgemäss.» Statt sich nur auf spezielle Personengruppen zu fokussieren, gehe es vielmehr darum, allgemein engagierte Mitarbeitende zu finden, die Lust haben, gemeinsam am Unternehmenszweck zu arbeiten.
Sich bewusst auf unterschiedliche Zielgruppen einzulassen und konkret auf deren Bedürfnisse einzugehen, das rät Unternehmer Cornel Müller seiner Kundschaft. Seine Future of Work Group AG bietet sowohl für Stellensuchende als auch für Unternehmen unterstützende digitale Plattformen und Tools im Rekrutierungsbereich und hat eine hehre Vision: Arbeitgebende und Arbeitnehmende einfacher zusammenzubringen.
«Aufgrund der demografischen Entwicklung werden uns mittel- und langfristig in der Schweiz Fachkräfte fehlen, und da wird es für Arbeitgebende wie auch für die ganze Volkswirtschaft relevant, Arbeitnehmende mit den nötigen Skills auszustatten und weiterzubilden, um sie für den Arbeitsmarkt der Zukunft fit zu machen.» Aber: «Gerade KMU haben limitierte Ressourcen im Personalbereich, um die Mitarbeitenden in dieser Transformation wertvoll zu unterstützen.»
«Die gute Nachricht ist: Gezielte Massnahmen aus dem Werkzeugkasten des Talentmanagements lohnen sich auch für KMU – und müssen nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sein», erklärt Susanne Ziörjen.
«Generell habe ich als Firma immer zwei Hebel: Ich kann in die Rahmenbedingungen investieren, damit Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten können. Und ich kann direkt in ihre Weiterentwicklung investieren», so Susanne Ziörjen.
Dabei gibt es in der Theorie zahlreiche Massnahmen, die Unternehmen entlang des gesamten Mitarbeiterzyklus ergreifen können: vom Recruiting über die Einarbeitung und Weiterentwicklung bis hin zur Nachfolgeplanung und zum Austrittsgespräch.
Klar ist aber auch: Zeit und Geld sind begrenzt – insbesondere in KMU. Deshalb empfiehlt die Expertin, sich auf die Stellschrauben zu konzentrieren, bei denen man auch ohne grosses HR und Budget schon viel bewirken kann:
«Mitarbeitende sind motivierter bei der Arbeit, wenn sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und wissen, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten.» Gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten schaffe ein Wir-Gefühl, das sich erwiesenermassen positiv auf die Produktivität der Mitarbeitenden auswirke, betont Susanne Ziörjen.
Unsere Handlungsempfehlung: Falls noch nicht geschehen, bringen Sie die eigenen Werte und Visionen einmal zu Papier. Kommunizieren Sie diese sodann konsequent nach innen wie nach aussen, zum Beispiel bei internen Sitzungen und Workshops sowie in Stellenanzeigen.
Es sind häufig die kleinen Dinge im Geschäftsalltag, die einen entscheidenden Einfluss auf die Zufriedenheit sowie die Gesundheit der Belegschaft haben. Auch nicht zu unterschätzen: «Mitarbeitende sind glücklicher bei der Arbeit, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Anliegen gehört werden.», so Susanne Ziörjen
Unsere Handlungsempfehlung: Fühlen Sie regelmässig den Puls bei Ihren Angestellten und holen Sie deren Bedürfnisse ab: in persönlichen Gesprächen, Feedbackrunden in kleinen Gruppen oder auch Mitarbeiterumfragen. Laden Sie Ihre Mitarbeitenden aktiv zur Mitgestaltung ein: Anstatt einfach eine Arbeitsanweisung zu erteilen, können Sie Ihre Angestellten beispielsweise fragen, wie sie ein bestimmtes Problem angehen würden.
Flexibilität in puncto Homeoffice, Arbeitszeiten und Pensum wird nicht nur immer stärker von Arbeitnehmenden eingefordert, sondern zahlt sich auch für die Betriebe aus. Lassen sich Beruf und Familie sowie Freizeit besser miteinander vereinen, sind bestehende Mitarbeitende zufriedener und gesünder. Das steigert nicht nur die Motivation und Produktivität am Arbeitsplatz, sondern reduziert auch die Fluktuation.
Zusätzlich vergrössert sich so der Kreis potenzieller Bewerberinnen und Bewerber, was zu mehr Vielfalt und damit auch unterschiedlichen Perspektiven und Ideen im Betrieb führt.
Unsere Handlungsempfehlung: Überlegen Sie sich, ob und welche (weiteren) flexiblen Arbeitszeitmodelle in Ihrem Betrieb sinnvoll und umsetzbar sein könnten und probieren Sie sie allenfalls testweise mit bestimmten Personen oder Teams aus.
Seien wir ehrlich: Wenn es um die Wahl der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers geht, ist und bleibt der Lohn ein wichtiger Anreiz für viele Menschen. Haben Sie dort nicht viel Handlungsspielraum, gibt es weitere Hebel, mit denen Sie sich als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber attraktiv machen können.
Eine Möglichkeit sind beispielsweise die sogenannten Fringe Benefits, also Lohnnebenleistungen wie Beteiligung am ÖV-Abo, REKA-Checks, Mitarbeiterrabatte, zusätzliche Ferientage oder auch attraktive Vorsorgelösungen.
Unsere Handlungsempfehlung: Nutzen Sie niederschwellige Angebote und Plattformen für Mitarbeitervorteile und lassen Sie sich zu Gestaltungsmöglichkeiten in Sachen Pensionskasse beraten.
«Neben guten Rahmenbedingungen und einer sinnstiftenden Tätigkeit ist es engagierten Mitarbeitenden wichtig, dass sie Perspektiven zur Weiterentwicklung aufgezeigt bekommen und auf ihrer Lernreise unterstützt werden», betont Susanne Ziörjen.
Laut der Expertin müssten das aber nicht immer teure Weiterbildungen mit Ausfallzeiten am Arbeitsplatz sein: «Weiterentwicklung geht auch praktischer und günstiger, nämlich on the job.»
Das Unternehmen profitiere dabei gleich mehrfach: «Die Mitarbeitenden bauen zusätzliche Kompetenzen auf und sind engagierter. Ausserdem können sie so leichter und schneller auf frei gewordene Stellen nachrücken – Stichwort: interne Mobilität.»
Diese Stellschraube im Kampf gegen den Fachkräftemangel hat auch die Duss Küchen AG für sich entdeckt. «Fehlende Fachkräfte sind in unserer Branche schon länger ein Thema. Zukünftige Abgänge durch Pensionierungen planen wir deshalb immer schon zwei Jahre im Voraus ein, um die Stelle rechtzeitig neu besetzen zu können; punktuelle Ressourcenengpässe versuchen wir stets mit internen Rochaden auszugleichen oder Lernende nachzuziehen.»
Beim Küchenspezialisten setzt man deshalb generell auf die Aus- und Weiterbildung von Talenten und bildet immer vier bis fünf Lernende gleichzeitig aus. «Wir investieren viel in die Förderung und Stärkung der individuellen Fähigkeiten und Begabungen unserer Mitarbeitenden», erklärt Geschäftsführer und Verwaltungsrat René Widmer.
Das entspreche zum einen den Unternehmenswerten, sei aber darüber hinaus auch elementar, um sich auf dem Stellenmarkt als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren: «Neben einer interessanten Tätigkeit, einer modernen Infrastruktur und einer selbständigen Arbeitsweise sind flexible Arbeitsmodelle und die Möglichkeit, sich intern weiterzuentwickeln oder weiterzubilden, heutzutage ein zentrales Bedürfnis für junge Talente.»
Unsere Handlungsempfehlung: Führen Sie – respektive Ihre Führungskräfte – regelmässige Gespräche, um herauszufinden, was Ihre Mitarbeitenden als Nächstes lernen und erreichen wollen. Lassen Sie sie gezielt Erfahrungen in diesen Bereichen sammeln, beispielsweise durch Ferienvertretungen oder konkrete Aufgaben und Projekte.
Stellen Sie engagierten Mitarbeitenden allenfalls auch eine Mentorin oder einen Mentor an die Seite, sodass sie sich durch regelmässiges Feedback und Austausch noch effektiver weiterentwickeln können.
Auch im Bereich Recruiting gibt es einige Faktoren, die KMU für sich nutzen können, um neue Talente zu gewinnen und zu halten. Konkrete Tipps hierzu finden Sie in unserem Blogartikel zur Personalrekrutierung. Das Wichtigste ist aber, klar zu definieren, welche Personengruppen Sie gezielt ansprechen wollen, und vor allem: «Kommunizieren Sie diesen Leuten proaktiv, was sie in Ihrem Betrieb alles geboten bekommen», so unsere Expertin für Personalentwicklung.
Unsere Handlungsempfehlung: Nutzen Sie Ihre Website sowie allfällige Unternehmensprofile in den sozialen Medien, um nicht nur den Sinn und Zweck Ihrer Unternehmung nach aussen zu tragen, sondern auch die Vorteile und Möglichkeiten für Mitarbeitende zu präsentieren. Achten Sie zudem darauf, den Text Ihrer Stelleninserate in einer ansprechenden, zielgruppengerechten Sprache zu schreiben.
Auch kleine und mittlere Unternehmen ohne grössere Personalabteilung und Ressourcen können mit gezielten Massnahmen Produktivität, Zufriedenheit und Kompetenz ihrer Mitarbeitenden steigern. Dadurch werden sie als Arbeitgebende attraktiver und können leichter neue Talente für sich gewinnen. Im besten Fall führt dies gar zu einer Aufwärtsspirale, denn wie hinlänglich bekannt ist: Zufriedene Mitarbeitende sind die beste Werbung für Ihren Betrieb.