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KMU-Arbeitsmarktstudie: Anspruchsvolle Angestellte immer grössere Herausforderung für KMU

26.07.2024

Auch mit der Abkühlung des Stellenmarkts bleibt die Rekrutierung für Schweizer KMU die grösste Herausforderung, über die Hälfte bekundet nach wie vor Mühe, offene Stellen zu besetzen. Trotzdem bilden nur drei von fünf Unternehmen Lernende aus. Stattdessen setzen viele KMU auf Teilzeitmöglichkeiten und flexible Arbeitsbedingungen, um den zunehmenden Ansprüchen der Arbeitnehmenden zu entsprechen. Die Generationen Y und Z zeigen sich dabei weniger anspruchsvoll als gedacht, dafür wird ihre Arbeitsqualität und Loyalität von den Patrons schlechter eingeschätzt. 

Trotz des Abwärtstrends im Schweizer Stellenmarkt bleibt der Arbeitskräftemangel für KMU mit Abstand die grösste Herausforderung. Über die Hälfte der Schweizer KMU (51 %) – insbesondere Firmen aus dem Baugewerbe und im Gesundheits- und Sozialwesen – sieht sich bei der Besetzung offener Stellen mit systematischen Problemen konfrontiert. Und zwei von fünf Unternehmen haben mit hoher Fluktuation bei den Mitarbeitenden zu kämpfen. Das belegt die in diesem Jahr bereits zum dritten Mal durchgeführte KMU-Arbeitsmarktstudie der AXA.

Viele KMU bemerken den nach wie vor andauernden Fachkräftemangel auch im Verhalten ihrer Mitarbeitenden. 28 Prozent der KMU sind vermehrt mit Lohnforderungen konfrontiert, 23 Prozent spüren mehr Forderungen bezüglich Arbeitszeiten und 18 Prozent stossen auf stärkeren Widerstand bei erhöhter Arbeitsbelastung. «Der anhaltende Fachkräftemangel verändert das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt: Arbeitnehmende kennen ihren Wert und formulieren zusätzliche Erwartungen an künftige Arbeitgebende. Darauf müssen KMU zunehmend reagieren können, wollen sie ihre offenen Stellen besetzen», erklärt Michael Hermann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo, das die Erhebung im Auftrag der AXA durchgeführt hat.

Eigeninitiative im Kampf um die besten Talente

Um im Arbeitskräfte-Wettbewerb zu bestehen, setzten Unternehmen vermehrt auf Lösungen wie grössere Flexibilität beim Arbeitspensum und der Arbeitszeit. Rund die Hälfte aller befragten Unternehmen (48 %) gab an, 2024 mehr Teilzeitstellen anzubieten, um genügend Mitarbeitende rekrutieren zu können. 47 Prozent bieten mehr Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung wie Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit. Rund ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen setzt darüber hinaus auf zusätzliche Benefits wie Ferien oder Weiterbildung und ein Fünftel (21 %) aller Befragten erklärte, neuen Mitarbeitenden deutlich höhere Löhne anzubieten. 32 Prozent der Unternehmen gaben zudem an, auch bestehenden Mitarbeitenden substanzielle Lohnerhöhungen zu gewähren, um diese an das Unternehmen zu binden. «Offenbar setzen die meisten KMU bei sich selbst an, wenn es darum geht, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen – und verhelfen dadurch den Prinzipien von New Work zum Durchbruch», resümiert Politgeologe Michael Hermann.

Nur zwei von fünf KMU bilden Lernende aus

Ein weiterer Ansatz, um neue Mitarbeitende für sich zu gewinnen, ist der Fokus auf diejenigen Arbeitskräfte, die neu in den Arbeitsmarkt stossen. Die Schweizer Berufsbildung gilt weltweit als Erfolgsmodell und ist ein zentraler Bestandteil des Schweizer Bildungssystems. Kleine und mittlere Unternehmen übernehmen dabei als Ausbildungsstätten für die Fachkräfte von morgen eine Schlüsselrolle. Eine Win-win-Situation, könnten KMU doch auf diesem Weg gut vorbereitete Arbeitskräfte ausbilden und junge Menschen ans Unternehmen binden – so scheint es. Trotzdem bieten gemäss KMU-Arbeitsmarktstudie nur 40 Prozent der befragten Firmen Lehrstellen an.  Zwei Drittel (67 %) derjenigen Unternehmen mit einem Lehrstellenangebot begründen den Schritt damit, besser vorbereitete Fachkräfte direkt im eigenen Unternehmen auszubilden, und diese ans Unternehmen binden zu können (51 %). Immerhin 37 Prozent der befragten Unternehmen will damit einen Dienst an der Gesellschaft tun, rund ein Fünftel (22 %) erhofft sich dadurch einen Image-Vorteil. Und knapp jedes siebte Unternehmen gibt zu, dadurch günstige Arbeitskräfte zu gewinnen.

Deutlich mehr Lehrstellen im produzierenden Gewerbe

Trotz dieser Vorteile geben 60 Prozent der befragten KMU an, keine Lehrstellen anzubieten. Als Gründe dagegen nennen zwei Drittel davon fehlende Voraussetzungen, weil es bspw. innerhalb des Unternehmens nicht genügend Tätigkeitsfelder gibt, in denen die Lernenden eingesetzt werden können. Auf dem zweiten Platz rangieren die fehlenden Ressourcen innerhalb des Betriebs; rund einem Drittel der Befragten fehlt die Zeit oder Qualifikation, um Lernende auszubilden. Knapp jedes siebte Unternehmen erklärt, zwar schon einmal Lehrstellen angeboten, aber keine Interessenten gefunden zu haben. Auffällig: KMU aus dem produzierenden Gewerbe bilden deutlich häufiger Lernende aus als Firmen aus dem Dienstleistungssektor. «Das produzierende Gewerbe ist historisch stärker mit der Lehre verbunden und die dortigen Berufe beruhen häufiger auf einer Berufsbildung als im Dienstleistungssektor», erklärt Michael Hermann.

Rund die Hälfte aller KMU, die gemäss Arbeitsmarktstudie Lehrstellen anbietet, hat Schwierigkeiten damit, diese zu besetzen. Das Paradoxe: Vor allem Firmen im produzierenden Gewerbe bekunden deutlich mehr Mühe Lernende zu finden als KMU im Dienstleistungssektor, obwohl sie in der Grundgesamtheit deutlich mehr Lehrstellen anbieten. «Lehrstellen im produzierenden Sektor werden von Berufseinsteigerinnen und -einsteigern wohl als weniger attraktiv wahrgenommen, da sie oft körperliche Arbeit voraussetzen, Schichtbetrieb beinhalten und niedriger bezahlt sind als im Dienstleistungssektor. Vor allem das Baugewerbe ist bekannt dafür, dass die Betriebe Mühe bekunden, ihre Lehrstellen zu besetzen», ordnet Michael Hermann ein.
 

Öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf jüngere Generation stimmt nur bedingt

Glaubt man dem öffentlichen Diskurs, wollen die jüngeren Generationen Y und Z «den Foifer und s’Weggli»: Möglichst wenig und flexibel arbeiten, gerne aber zu einem hohen Lohn und in einem Arbeitsumfeld, in dem sie sich verwirklichen und weiterentwickeln können. Die Ergebnisse der KMU-Arbeitsmarktstudie zeigen jedoch: Diese Ansicht stimmt nur bedingt. Zwar deckt sich die Sicht der Unternehmen in vielen Aspekten mit der öffentlichen Wahrnehmung, so nennt mehr als ein Drittel der Befragten flexible Arbeitszeiten (39 %) und eine ausgewogene Work-Life-Balance (38 %) als ein grösseres Bedürfnis jüngerer als älterer Arbeitnehmender, 33 Prozent geben an, dass jüngere Mitarbeitende sich bei der Arbeit eher selbst verwirklichen wollen als ältere. 

Ein genauer Vergleich der Generationen zeigt jedoch, dass junge Arbeitnehmende nicht höhere Ansprüche haben als die ältere Generation – im Gegenteil. Aus Sicht der KMU stellen die über 30-Jährigen sogar deutlich mehr Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Entgegen dem Klischee, dass nur jüngere Arbeitnehmende flexible Arbeitsbedingungen fordern, sind die Ergebnisse der KMU-Studie hinsichtlich dieser Bedürfnisse sehr ausgeglichen. Eine gesunde Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle sind für alle Altersgruppen wichtig. Deutliche Unterschiede gibt es hingegen beim Lohn als Entscheidungsfaktor für die Wahl des Arbeitgebers. So hat die Hälfte der befragten Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass der Lohn für Arbeitnehmende über 30 Jahren wichtiger ist als für Arbeitnehmende unter 30 Jahren. Nur 24 Prozent betrachten den Lohn als eine höhere Priorität für die jüngsten Arbeitnehmenden. Ältere Arbeitnehmende erwarten also mehr materielle Anerkennung für ihre Arbeit als die Generationen Y und Z. Aber auch immaterielle Aspekte wie Wertschätzung, Teamgeist oder Umgangsformen werden aus Sicht der befragten KMU deutlich häufiger von älteren Mitarbeitenden gefordert.

Junge leisten weniger und sind weniger loyal – aber nicht häufiger krank

Junge Mitarbeitende verlangen also entgegen der öffentlichen Wahrnehmung weniger Gegenwert für ihr Engagement. Zugleich wird ihr Beitrag für die Firma auch weniger positiv eingeschätzt, wie die Rückmeldungen der KMU-Arbeitsmarktstudie zeigen. Jüngere Arbeitnehmende zeigen demnach weniger Verantwortung und Leistungsbereitschaft als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen. Die befragten Unternehmen bestätigen also das gängige Klischee, dass junge Arbeitnehmende weniger leisten und nur «Dienst nach Vorschrift» machen. Besonders grosse Unterschiede gab es bei der Bewertung der Loyalität gegenüber dem Unternehmen. «Umfragen zeigen, dass jüngere Mitarbeitende schneller bereit sind, die Stelle zu wechseln, als ältere. Das widerspiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen. Gleichzeitig sollte diese Wahrnehmung etwas relativiert werden, schliesslich hatten jüngere Mitarbeitende weniger Zeit, ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmen zu beweisen als langjährige Mitarbeitende», so Michael Hermann.

Die Annahme, dass die jüngeren Generationen im beruflichen Umfeld häufiger mit psychischen Erkrankungen auffallen, bestätigt sich hingegen nicht.  Zwar werden auch die Resilienz und psychische Robustheit der jüngeren Generation etwas schlechter eingestuft als diejenige der älteren Arbeitnehmenden. Aber in der Wahrnehmung der befragten KMU sind die 31- bis 50-jährigen Mitarbeitenden häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als die unter 30-Jährigen (23 % vs. 19 %). Eine Mehrheit der befragten KMU (53 %) stellt jedoch keinen Unterschied zwischen den Altersgruppen fest. Demnach wirken sich psychische Krankheiten unabhängig der Generation auf das Arbeitsleben aus.

Zur Studie

Für die vorliegende Studie befragte das Forschungsinstitut Sotomo 300 Schweizer KMU mit fünf und mehr Beschäftigen aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Die Datenerhebung erfolgte zwischen dem 05. und 13. Februar über das Unternehmenspanel von AmPuls.

Über die AXA

Rund zwei Millionen Kundinnen und Kunden in der Schweiz vertrauen auf die Expertise der AXA in der Personen-, Sach-, Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Lebensversicherung sowie in der Gesundheits- und beruflichen Vorsorge. Mit innovativen Produkten und Dienstleistungen rund um Mobilität, Gesundheit, Vorsorge und Unternehmertum sowie einfachen, digitalen Prozessen steht die AXA ihren Kundinnen und Kunden als Partnerin zur Seite und ermutigt sie mit ihrem Markenversprechen «Know You Can», auch in herausfordernden Situationen an sich selbst zu glauben. Dafür setzen sich rund 4500 Mitarbeitende sowie die 3000 Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb persönlich ein. Mit über 340 Geschäftsstellen verfügt die AXA über das schweizweit grösste Vertriebsnetz in der Versicherungsbranche. Die AXA Schweiz gehört zur AXA Gruppe und erzielte 2023 ein Geschäftsvolumen von CHF 5,8 Mia.

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