Flexible Arbeitsmodelle sind für viele Arbeitnehmende mittlerweile eine Grundvoraussetzung. Wir zeigen, welche Modelle es gibt und wie die Einführung verschiedener Optionen zur Win-win-Situation für Arbeitnehmende und Arbeitgebende wird.
Gemäss AXA KMU-Arbeitsmarktstudie sind Teilzeit sowie eine flexiblere Arbeitsgestaltung die häufigsten Massnahmen, die KMU gegen den Fachkräftemangel ergreifen. Eine kluge Wahl, wie eine Umfrage der AXA unter rund 1000 Erwerbstätigen in der Schweiz bestätigt: Aus Sicht der Arbeitnehmenden zählen flexible Arbeitsmodelle zu den Top-5-Faktoren, die ein Unternehmen attraktiv machen.
Wenn von flexiblen Arbeitszeitmodellen die Rede ist, sind hauptsächlich die folgenden drei «modernen» Modelle gemeint.
Die wohl bekannteste Form des flexiblen Arbeitens ist ein Modell, in dem Mitarbeitende nicht Vollzeit, sondern Teilzeit arbeiten: meist zwischen 20 und 80 Stellenprozent. Entweder gibt es auf der entsprechenden Stelle stundenmässig weniger zu tun oder es handelt sich um sogenanntes Jobsharing. Bei dieser Unterform teilen sich zwei Personen eine Stelle untereinander auf, beispielsweise im Verhältnis 50:50 oder 60:40.
In der Praxis werden die Arbeitszeitmodelle Teilzeit und Jobsharing häufig mit einem Gleitzeitmodell kombiniert.
Von Gleitzeit spricht man, wenn Mitarbeitende nicht eine fixe Stundenzahl pro Tag zu arbeiten haben, sondern flexibel entscheiden können, wie sie die Arbeitszeiten über die Woche oder gar den Monat verteilen.
Ob es dabei feste Kernarbeitszeiten gibt, die unbedingt eingehalten werden müssen, hängt von den betrieblichen Anforderungen sowie dem Entscheid der Arbeitgebenden ab.
Eine noch stärkere Ausprägung des Gleitzeitmodells ist die Jahresarbeitszeit: Dabei werden die Sollstunden nicht wöchentlich oder monatlich angeschaut, sondern müssen lediglich Ende Jahr geleistet sein. Diese Form ist besonders in Branchen mit projektbezogener Arbeit oder starken saisonalen Schwankungen beliebt.
Neben dem Jahresarbeitszeitmodell bieten einige Unternehmen ihren Mitarbeitenden auch die Möglichkeit, ihr Arbeitszeitguthaben anzusparen. Angestellte sammeln dabei ihre Überstunden und ungenutzten Ferientage über einen längeren Zeitraum an und setzen sie gebündelt, z. B. für ein Sabbatical oder einen früheren Renteneintritt, ein.
Das Arbeitszeitmodell Gleitzeit gibt es auch in der Ausführung «Vertrauensarbeitszeit»: Die Arbeitnehmenden sind selbst dafür verantwortlich, dass sie auf ihre Stunden kommen (Minusstunden nacharbeiten, Überstunden kompensieren) und diese richtig erfassen. Je nachdem ist sogar gar keine Zeiterfassung notwendig. Dies geht aber nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen.
Ein spezielles New-Work-Modell, das in aller Munde ist, ist die Vier-Tage-Woche. Dazu gibt es immer mehr Pilotprojekte im In- und Ausland – teils mit recht unterschiedlichen Ergebnissen und Einschätzungen.
Zur Einordnung für den eigenen Betrieb hilft es, sich die verschiedenen Ausführungen punkto Wochenstundenzahl, Lohn und Anzahl Personen pro Stelle vor Augen zu führen. So zeigt sich schnell: Je nach Variante kann die Vier-Tage-Woche etwas ganz anderes bedeuten. Ein Unternehmen verteilt die gleiche Anzahl Stunden auf vier statt fünf Tage pro Woche. Ein anderes reduziert auch die zu leistende Stundenanzahl. Und eine dritte Firma teilt eine Stelle auf zwei Personen auf, sodass beide jeweils nur vier Tage die Woche arbeiten.
Wir haben Ihnen die verschiedenen Varianten der Vier-Tage-Woche in einer Übersicht zusammengestellt:
Flexible Arbeitszeitmodelle sind ein wichtiger Faktor, wenn es um die Arbeitgeberattraktivität geht. Warum das so ist und worauf es bei der Ausgestaltung von Arbeitsmodellen ankommt, erklärt unsere Expertin Tanja Altenburger. Sie ist Head Employer Attractiveness bei der AXA.
«Schaffen Sie familienfreundliche Rahmenbedingungen und kommunizieren Sie dies auch nach aussen», rät Tanja Altenburger. Setzen Sie grössere oder regelmässige Meetings beispielsweise nicht vor 8.30 Uhr und nach 17 Uhr an und respektieren Sie die angegebenen Erreichbarkeiten. «Unsere familienfreundlichen Meetingzeiten sind bei den AXA Mitarbeitenden auf sehr positive Resonanz gestossen», erzählt uns die Expertin für Arbeitgeberattraktivität.
Viele Eltern wissen es ausserdem zu schätzen, wenn sie ihren Arbeitstag flexibel gestalten können. Gleitzeit hilft beispielsweise, Bring- und Abholzeiten der Kita oder Schule einzuhalten und dafür frühmorgens oder am Abend noch zu arbeiten.
Doch Familienfreundlichkeit im Unternehmen beginnt schon vorher: beim Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes. Indem Sie frischen Eltern die Möglichkeit bieten, mit einem reduzierten Pensum bei Ihnen (wieder-)einzusteigen, sichern Sie sich wichtiges Potenzial, das sonst vielleicht ungenutzt bleiben würde. Auch eine (vorübergehende) Reduktion des Pensums für einen Papi- oder Mamitag ist hochattraktiv.
Eine gute Nachricht für Sie, denn das bedeutet: Wer auf Mütter und Väter Rücksicht nimmt, kann nicht nur wertvolle Arbeitskräfte im Unternehmen halten, sondern sich auch aktiv als attraktive Arbeitgeberin bzw. attraktiver Arbeitgeber positionieren.
Finden Sie heraus, was Ihre Mitarbeitenden antreibt und wie sie sich weiterentwickeln wollen. Wenn Sie Unterstützung und Weiterbildungs- und Förderprogramme nicht nur auf Vollzeitangestellte ausrichten, sind die Chancen höher, auch wirklich die richtige Person voranzubringen.
Jobsharing wiederum kann eine gute Möglichkeit sein, Teilzeitmitarbeitende gemäss ihren Kompetenzen einzusetzen – und ihnen dabei trotzdem die gewünschte Flexibilität in Bezug aufs Arbeitspensum zu bieten.
So profitieren Sie nicht nur von motivierten, zufriedenen und dadurch meist produktiveren Mitarbeitenden, sondern haben noch ein Argument mehr in der Hand, das für Sie als Arbeitgeberin respektive Arbeitgeber spricht.
Eine Umfrage der AXA hat gezeigt, dass sich viele Erwerbstätige bei der Suche nach einer neuen Stelle auf ihr persönliches Netzwerk verlassen. Deshalb der Tipp unserer Expertin: «Beziehen Sie Ihre Angestellten mit ein und geben sie ihnen die Möglichkeit, sich und ihren Arbeitsalltag zu zeigen, beispielsweise in den sozialen Medien. Zufriedene Mitarbeitende sind die besten Botschafterinnen und Botschafter für Ihre Arbeitgebermarke.»
Ändert sich der Lohn, hat dies im Schweizer Sozialversicherungssystem meist weitreichende Folgen für das Ersatzeinkommen im Alter. Insbesondere die Auswirkungen von Teilzeit auf die Pensionskasse sollten Angestellte genau kennen, um grosse Vorsorgelücken rechtzeitig zu vermeiden.
«Immer mehr Arbeitnehmende, auch schon Jüngere und Frauen, setzen sich mit dem Thema Vorsorge bei Teilzeit auseinander und suchen aktiv nach Lösungen», berichtet Tanja Altenburger, AXA Expertin für Arbeitgeberattraktivität.
Das bietet für Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber die Chance, sich mithilfe einer attraktiven BVG-Lösung zu positionieren. Denn Sie haben einen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der Pensionskassenlösung Ihrer Mitarbeitenden – selbst wenn Sie keine eigene Vorsorgeeinrichtung führen.
So können Sie Teilzeitangestellte besser absichern als gesetzlich vorgeschrieben, indem Sie beispielsweise die sogenannte Eintrittsschwelle und den Koordinationsabzug entfernen oder diese an den Teilzeit-Beschäftigungsgrad anpassen.
Tipp: Wenn Sie Ihren Angestellten weitergehende Angebote im Bereich BVG machen, sollten Sie dies aktiv nach innen und aussen kommunizieren. So nutzen Sie das volle Potenzial in puncto Arbeitgeberattraktivität.
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Moderne Arbeitszeitmodelle sind nicht nur etwas für grosse Firmen. Auch KMU können im Kampf um Arbeitskräfte mit kleinen und grösseren Massnahmen viel bewirken. Worauf es dabei ankommt, zeigt folgendes Praxisbeispiel.
Die Vier-Tage-Woche geisterte Philipp Albrecht, Hoteldirektor des Park Hotel Winterthur, bereits seit seiner Ausbildung in der Hotelfachschule vor 15 Jahren im Kopf herum. Definitiv auf den Tisch kam das Thema im Sommer 2021. «Wir hatten nach dem zweiten Corona-Winter zu spät mit der Rekrutierung neuen Personals begonnen. Und fanden aufgrund des Fachkräftemangels in der Gastrobranche keine passenden Mitarbeitenden.»
Da die Gäste gleichzeitig wieder in Scharen zurückkehrten, lief insbesondere die Küchencrew am Anschlag und war überlastet und unzufrieden. Vor allem die vierstündige Zimmerstunde am Nachmittag war ein grosses Problem. «In einem Stadthotel, wo die Belegschaft teilweise lange Arbeitswege hat, ist die Zimmerstunde tote Zeit, die viele nicht sinnvoll nutzen konnten», so Albrecht. Es musste sich dringend etwas ändern.
Gemeinsam mit dem Küchenchef und dem HR-Leiter des Hotels erarbeitete Philipp Albrecht ein Konzept, das in erster Linie darauf zielte, die Ressourcen der Küchencrew besser einzuteilen und dadurch effizienter zu gestalten. Es entstand die Idee, nur noch an vier Tagen, dafür jeweils zwei Stunden länger zu arbeiten und im Gegenzug die Zimmerstunde zu streichen. Die neugewonnene Zeit am Nachmittag wird für die Vorbereitung des Abendservice sowie des nächsten Morgens genutzt.
Die Crew des Park Hotels testete die Vier-Tage-Woche während zweier Monate in einem Pilotversuch auf ihre Praktikabilität, danach wurde feinjustiert. «Wir haben schnell gemerkt, dass das Modell nicht überall funktioniert – für den Abwaschservice war das Konzept zum Beispiel nicht praktikabel», sagt Albrecht.
Das Feedback der Mitarbeitenden war gut. «Wir haben durch die Umstellung unseres Arbeitsmodells bisher stark profitiert – unsere Mitarbeitenden sind zufriedener, unsere Abläufe effizienter, und wir können uns im Markt als attraktiver Arbeitgeber positionieren», resümiert der Hoteldirektor.
Eine ganzheitliche Planung und eine transparente Kommunikationskultur sind bei der Einführung neuer Arbeitsmodelle elementare Bausteine, erklärt Johann Weichbrodt, Organisationspsychologe an der Fachhochschule Nordwestschweiz:
«Die Kunst ist, die betriebswirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen. Sie müssen sich genau überlegen, welche Prozesse effizient sind und welche angepasst oder abgeschafft werden können. Tauschen Sie sich in der Planung eng mit Ihren Mitarbeitenden aus, testen Sie das Konzept ein paar Monate und prüfen Sie gemeinsam, was funktioniert und was nicht.»
Gerade in Betrieben, in denen sich die Aufgaben je nach Bereich stark unterscheiden, müsse man sich gut überlegen, wie man das Arbeitsmodell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der individuellen Teams ausrichtet, erklärt der Experte.
Das Park Hotel Winterthur wurde 1957 eröffnet. Ursprünglich spezialisiert auf Businessgäste, bietet das 4-Sterne-Stadthotel mit 73 Zimmern heute auch ein grosses kulinarisches und kulturelles Event- und Konzertangebot und darf mittlerweile auch viele Familien, Hochzeitsgesellschaften und Wochenendausflügler bei sich begrüssen. Philipp Albrecht ist seit Dezember 2017 Hoteldirektor und beschäftigt rund 50 Mitarbeitende.
Dr. Johann Weichbrodt ist Organisationspsychologe und Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er forscht und unterrichtet zur erfolgreichen Gestaltung flexibler Arbeitsmodelle sowie zu Veränderungsprozessen in der Arbeitswelt. Seine Kompetenzschwerpunkte liegen in der Analyse und Gestaltung einer mobil-flexiblen Arbeitswelt und der Führung und Organisation in flexiblen und agilen Kontexten.