Sieben Monate quer durch Nord- und Südamerika: Wir hatten uns lange auf diese Reise gefreut, uns gut vorbereitet, viel recherchiert – und eine Reiseversicherung abgeschlossen. Dass eine Reiseversicherung nicht dasselbe ist wie eine Reisekrankenversicherung, erfuhren wir leider zu spät. Aber der Reihe nach.
Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen: Mein Partner und ich sassen im lauschigen Innenhof einer Bar in einem kleinen, verschlafenen Küstenstädtchen und hatten ein Apéro-Bier vor uns stehen. Wir planten gerade unsere Fahrt nach Santiago de Chile, wo wir eine gemeinsame Freundin treffen wollten, als sich mein Freund plötzlich erhob – kreidebleich, mit Schweisstropfen auf der Stirn. Schnell war klar: Kein Restaurantbesuch diesen Abend, sondern Suppe und Cola im Hostel. Ich hoffte, dass diese Krankheit so schnell vorbeigehen würde, wie sie gekommen war.
Doch die nächsten Tage verbrachten wir nicht im aufregenden Santiago, sondern in unserem trostlosen Hostelzimmer: unruhige Nächte, durchgeschwitzte Bettwäsche, improvisierte Bettflaschen gegen üblen Schüttelfrost und immer kritischere Blicke auf das Fieberthermometer. Wir mussten akzeptieren, dass diese Krankheit nicht so schnell vorbeigehen würde. Und dass es vielleicht sinnvoll wäre, einen Arzt aufzusuchen. Schliesslich waren wir erst vor kurzem noch im Dschungel gewesen. Oder war doch alles halb so wild? Wir waren ganz auf uns allein gestellt, ein medizinischer Rat fehlte.
Ich packte etwas Wasser, ein frisches T-Shirt und die Sonnenhüte in unseren Rucksack. Unser Gastgeber gab uns den Tipp, besser die Privatklinik aufzusuchen, da das öffentliche Spital nicht so gut sei.
Gesagt, getan. Nach einem – glücklicherweise recht kurzen – Fussmarsch betraten wir die Privatklinik. Alles war hell, freundlich und sauber. Die Angestellten waren sehr nett und hilfsbereit. Auch wenn wir maximal die Hälfte von dem verstanden, was sie uns erzählten. Denn in Chile sprechen viele Personen kein Englisch, selbst unter der Ärzteschaft nicht.
Nach mehreren Untersuchungen trafen wir schlussendlich einen Arzt, der uns seine Diagnose mitteilte. Nur konnten wir weder mit der spanischen noch der lateinischen Bezeichnung etwas anfangen. Geduldig versuchte er uns alles zu erklären. Wirklich verstanden hatten wir nur, dass es eine Erkrankung in Zusammenhang mit dem Magen sei und wir strengste Regeln bei den Mahlzeiten zu befolgen hatten. Mein Stresslevel war enorm hoch und ich fühlte mich, gelinde gesagt, überfordert. Wie gerne hätte ich mich mit jemandem, der das medizinische Kauderwelsch verstand, in meiner Muttersprache oder zumindest in flüssigem Englisch über die Diagnose und Behandlungsmethode ausgetauscht.
Die Geschichte zog sich einige Tage hin: Es wurde nicht schlimmer, aber auch nicht merklich besser. Erneut begaben wir uns in die Klinik, wo uns zu einer Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel geraten wurde. Doch die Kosten in der Privatklinik seien enorm, rund 400 000.– chilenische Pesos. Wir sollten doch besser in das öffentliche Spital gehen.
Zu müde und erschöpft, um einen klaren Gedanken zu fassen, machten wir uns auf den Weg. Im Nachhinein hätten wir die umgerechnet CHF 450.- noch so gern bezahlt. Denn im Spital lernten wir, dass Ausländer im chilenischen Gesundheitssystem nichts bezahlen – und daher auch keine Priorität haben.
So sassen wir geschlagene zwölf Stunden im Warteraum, ohne Chance uns zu wehren, da unsere Spanischkenntnisse dafür zu schlecht waren. Eine normale Unterhaltung war kein Problem, aber argumentieren Sie einmal mit jemandem in einer fremden Sprache, der Ihnen nicht entgegenkommen will. So konnten wir keinem Mitarbeitenden den Ernst der Lage klar machen. Die Ironie des Ganzen: Obwohl man uns stundenlang ignoriert hatte, wurde mein Partner im Rollstuhl zum CT gebracht. Alles andere sei zu gefährlich, meinte der behandelnde Arzt.
Mein Partner erholte sich schliesslich wieder von dem Vorfall, wir konnten unsere Reise fortsetzen und haben Santiago de Chile doch noch gesehen. Ja, man kann eine Krankheit im Ausland ohne Reisekrankenversicherung überstehen. Ob ich das Risiko nochmals eingehen würde? Auf keinen Fall. Eine Reisekrankenkasse deckt zum einen die entstehenden Kosten – die im Fall von Chile noch überschaubar sind. Ich möchte nicht wissen, was eine vergleichbare Behandlung in den USA gekostet hätte. Und zum anderen stehen einem über die Notfallhotline medizinische Mitarbeitende mit Rat und Tat zur Seite. Allein dies kann Gold wert sein.