Gesundheit

Spitalbehandlungen: Ambulant vor stationär

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Das Gesundheitswesen der Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Dass gespart werden muss, ist unbestritten. Aber wie und wo? In diesem Blog wird erklärt, warum «ambulant vor stationär» dabei eine wichtige Rolle spielt.

Das Schweizer Gesundheitssystem ist eine komplexe Angelegenheit. Und Jahr für Jahr gibt die Bevölkerung mehr Geld für die Gesundheit aus. Bereits 2021 waren es laut Bundesamt für Statistik gut 86 Milliarden Franken – also pro Kopf CHF 827 im Monat bzw. fast CHF 10'000 im Jahr. Das ist viel Geld. Doch wie können die Kosten gesenkt werden, ohne dass die Qualität der Gesundheitsversorgung leidet?

Mehr ambulante Eingriffe

Dank technischem Fortschritt und minimalinvasiven Operationsmethoden sind immer mehr Operationen ambulant durchführbar. Bei einer ambulanten Behandlung verlässt die Patientin oder der Patient das Spital noch am Tag des Eingriffs. Dies ist in vielen Fällen medizinisch optimal – denn zuhause geht die Genesung tendenziell rascher vonstatten als im Spital. Gleichzeitig werden durch den Verzicht auf stationäre Pflege tausende Franken gespart. Aus diesen Gründen hat der Bund Anfang 2019 eine neue Regelung eingeführt: «ambulant vor stationär», abgekürzt AVS oder AVOS. Diese Regelung schreibt vor, welche Operationen nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen. Stationäre Pflege bezahlt die Grundversicherung bei diesen Operationen einzig dann, wenn relevante Gründe vorliegen. Die Folge: Seit 2019 sind die AVOS-Eingriffe etwa um ein Drittel günstiger geworden. Zudem zeigt sich, dass viele Patientinnen und Patienten eine ambulante Behandlung begrüssen.

Ambulant oder stationär: Vor- und Nachteile

Trotz grossem Spardruck sollte das Wohl der Patientinnen und Patienten stets im Fokus stehen. Was sind also die Vorteile von ambulanter bzw. stationärer Versorgung aus Sicht der Betroffenen?

Vorteile ambulanter Behandlungen

Ist aus medizinischer Sicht ein ambulanter Eingriff angezeigt, so bietet dieser einige Vorzüge:

  • Geringeres Infektionsrisiko: Zuhause ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass sich eine Operationswunde infiziert (Stichwort Spitalinfektion).
  • Individuelle Pflege: Bei der ambulanten Versorgung kann häufig besser auf die spezifischen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten eingegangen werden.
  • Optimale Rehabilitation: Zuhause geniessen Genesende mehr Selbstbestimmung und Flexibilität und sind dadurch aktiver. Dies fördert nachweislich die Heilung.
  • Gewohnte Umgebung: Die meisten Menschen schätzen ihre Privatsphäre, fühlen sich in der eigenen Wohnung wohler und schlafen besser – fürs Gesundwerden ein wichtiger Faktor.
  • Soziales Umfeld: Vertraute Menschen um sich zu haben, hat nicht nur praktische Vorteile, sondern vor allem auch emotionale. Es fällt leichter, in den Alltag zurückzufinden.

Vorteile stationärer Behandlungen

Komplexere und grössere Operationen bringen Risiken mit sich, die einen stationären Aufenthalt nötig machen. Das sind die wichtigsten Gründe:

  • Intensive Überwachung: Sollten Komplikationen auftreten, werden diese zeitnah erkannt.
  • Umfangreiche Ressourcen: Im Notfall kann rasch reagiert werden, da Material und spezialisiertes Personal im Hause sind.
  • Umfassende Nachsorge: Angemessene Pflege und Betreuung unmittelbar nach dem Eingriff sind im Spital gewährleistet – auch für Alleinstehende.

Blutige Entlassungen?

Befürchtet werden manchmal sogenannte blutige Austritte. Dazu ist wichtig zu wissen, dass alle Eingriffe, die unter die AVOS-Regelung fallen, minimalinvasiv sind: Hier ist das Risiko von Nachblutungen und anderen Komplikationen gering. Entlassen werden die Patientinnen und Patienten zudem nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Probleme kann es dann geben, wenn es an einer angemessenen Nachsorge fehlt (Spitex, Haushalthilfe, SRK, Pro Senectute, Angehörige usw.). Entscheidend sind deshalb eine gute Vorbereitung und Organisation mit Blick auf die gesamte Genesungszeit.

Grosses Potenzial

In Frankreich werden Hüftprothesen in etwa 60 Prozent der Fälle ambulant eingesetzt – in der Schweiz geschieht dies noch in 99 Prozent der Fälle stationär. (Quelle: SRF)

Tipps für Patientinnen und Patienten

Vor der Operation

  1. Fragen stellen: Räumen Sie jegliche Unsicherheiten aus und stellen Sie sicher, dass Sie alles rund um Ihren Eingriff genau verstehen – auch bezüglich Nüchternheit und Medikamenteneinnahme vor dem Spitaleintritt.
  2. Erholungszeit vorbereiten: Bereiten Sie die Wohnung vor, legen Sie bequeme Kleidung und benötigte Hilfsmittel bereit. Organisieren Sie nicht nur den Transport nach Hause, sondern auch praktische Unterstützung für die Zeit Ihrer Genesung.
  3. Finanzierung klären: Holen Sie bei Ihrer Krankenkasse eine Kostengutsprache ein und erkundigen Sie sich, ob Ihnen weitere Leistungen zustehen. Informieren Sie sich zudem über Franchise, Selbstbehalt und allfällige Zusatzkosten.

Nach dem Eingriff

  1. Medikamente einnehmen: Halten Sie sich genau an die Anweisungen der Ärztin oder des Arztes. Wenn Sie unsicher sind oder Nebenwirkungen beobachten, kontaktieren Sie eine Fachperson.
  2. Nachsorgetermine wahrnehmen: Vereinbaren Sie alle empfohlenen Termine und geben Sie Ihrer Genesung höchste Priorität, sodass der Heilungsprozess optimal verläuft.
  3. Aufmerksam sein: Achten Sie auf ungewöhnliche Symptome wie anhaltende Schmerzen, Fieber oder Schwellungen. Wenden Sie sich bei Bedenken umgehend an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt.
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    Ambulante Operationszentren

    Ambulante Eingriffe erfordern eine andere Infrastruktur – und werden darum immer häufiger von Spitälern getrennt. So betreibt etwa die Hirslanden-Gruppe mehrere ambulante Operationszentren.

    Hirslanden OPERA

Gesundheitspolitik: Wo liegt das Problem?

Operationen ambulant durchzuführen, ist in vielen Fällen aus medizinischer Sicht empfohlen und auch von den Patientinnen und Patienten erwünscht. Zudem ermöglicht es erhebliche Einsparungen. Dennoch ist der Anteil stationärer Behandlungen in der Schweiz, verglichen mit anderen Ländern, nach wie vor hoch. Wie kommt das? Grund dafür ist unter anderem die unterschiedliche Abrechnung von Behandlungen, je nachdem, ob sie ambulant oder stationär stattfinden:

  • Die stationäre Pflege wird mit einer Fallpauschale vergütet – wobei der Kanton mindestens 55 Prozent und die Krankenkasse maximal 45 Prozent übernimmt. 
  • Die Vergütung ambulanter Leistungen erfolgt durch das Tarifsystem TARMED – bezahlen muss zu 100 Prozent die Krankenkasse.

Problem 1: Mit der Zunahme ambulanter Eingriffe wird insgesamt gespart, doch verschiebt sich die finanzielle Last in Richtung Krankenkassen. Dies kann zu höheren Prämien führen. 

Problem 2: Das Tarifsystem TARMED ist veraltet. Dadurch sind ambulante Eingriffe für Spitäler je nachdem nicht einmal kostendeckend. Mit stationären Patientinnen und Patienten machen Spitäler mehr Umsatz und mehr Gewinn. (Andererseits mangelt es an Betten und Personal …)

Um diese Fehlanreize und Widersprüche aufzulösen, braucht es eine umfassende Überarbeitung der Abrechnung. Genau darüber diskutiert die Politik mit dem Projekt EFAS («Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen») seit vielen Jahren. Solange die bekannten Probleme nicht gelöst sind, wird die Ambulantisierung zwar weiter voranschreiten – allerdings zögerlicher, als es möglich und sinnvoll wäre.

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