Achtsamkeit liegt im Trend. Das Konzept verspricht mehr Ruhe im Alltag, mehr Wohlbefinden, mehr Gesundheit. Sprich: ein besseres Leben. Doch was ist Achtsamkeit eigentlich? Und was kann sie leisten, was nicht?
Fühlen Sie sich oft gestresst? Falls ja: Was tun Sie dagegen? Immer mehr Menschen reagieren auf Überforderung, indem sie Achtsamkeit (engl. «Mindfulness») üben. Achtsamkeit ist eine innere Haltung, die sich fast immer und überall anwenden lässt: Sie können achtsam atmen, achtsam gehen, achtsam essen, achtsam kommunizieren usw. Das soll die Gedanken beruhigen, die Konzentration schärfen und zu einer inneren Ausgeglichenheit führen. Eine gute psychische Balance wiederum kann sich positiv auswirken auf Schlaf, Immunsystem, Blutdruck usw. Deshalb betrachten manche Achtsamkeit als Teil einer umfassenden Gesundheitsvorsorge.
Das Konzept der Achtsamkeit ist nicht klar definiert, entsprechend vieles findet darin Platz. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner. Hier einige Schlüsselgedanken der Achtsamkeitslehre:
Das Konzept ist also im Grunde sehr simpel, dennoch fällt seine konkrete Umsetzung nicht leicht. Schliesslich haben die meisten von uns im Laufe des Erwachsenwerdens gelernt, sich gedanklich mehr mit Vergangenheit oder Zukunft zu befassen als mit der Gegenwart. Und auch das ständige Bewerten und Beurteilen sitzt in der westlichen Kultur tief. Viele Menschen fühlen sich dadurch verzettelt, dauergestresst und überfordert. Entsprechend gross ist die Nachfrage nach Kursen und Retreats, Apps und Onlineprogrammen, Ratgebern und Büchern. Kurz, nach allem, was den Zugang zu einem achtsameren Lebensstil erleichtern soll.
Die heutige Achtsamkeitspraxis hat ihre Wurzeln im frühen Buddhismus. Obwohl Achtsamkeit nicht an eine bestimmte Weltanschauung gebunden ist, war es ein buddhistischer Mönch, der sie im Westen bekannt gemacht hat: Thích Nhất Hạnh. Der 2016 verstorbene Vietnamese war überdies Autor und Friedensaktivist.
Auch ein US-Amerikaner hat die moderne Achtsamkeitsbewegung stark mitgeprägt: Jon Kabat-Zinn, Professor an der University of Massachusetts Medical School. Der Molekularbiologe wurde bekannt durch die Entwicklung des MBSR-Programms (Mindfulness-Based Stress Reduction), das inzwischen weltweit verbreitet ist und unter anderem in Therapien Anwendung findet.
In den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft vermehrt zum Thema Achtsamkeit geforscht. Studien zeigen, dass regelmässige Achtsamkeitsübungen Stress reduzieren, die emotionale Regulation verbessern, die Schmerzbewältigung fördern und die allgemeine Lebenszufriedenheit steigern können. Auch auf Beziehungen sollen sie sich positiv auswirken. Entsprechend wird Achtsamkeit in verschiedenen Bereichen wie Stressbewältigung, Psychotherapie und Leistungssteigerung angewandt.
Achtsamkeitstraining ist vorteilhaft für die meisten Menschen, die sich mehr Ruhe, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit wünschen. Dennoch ist ein Achtsamkeitstraining nicht in jeder Situation hilfreich. Vorsicht geboten ist etwa bei schweren psychischen Störungen oder in einer akuten Krise. Hier empfiehlt es sich, rechtzeitig professionelle Unterstützung zu suchen. Achtsamkeitspraktiken können dann allenfalls unter Anleitung einer qualifizierten Fachperson geübt werden.
Selbstverständlich. Zunächst einmal wird mit Achtsamkeit viel Geld gemacht. Die Auswahl an Produkten und Gadgets, die für sich beanspruchen, die Achtsamkeit zu fördern, ist schier endlos. Doch nicht nur die Kommerzialisierung des Trends wird kritisiert. Es gibt weitere Gründe dafür, Achtsamkeitslehre und -praxis differenziert zu betrachten. Ein paar Beispiele:
Mal abgesehen von den möglichen Nebenwirkungen richtet sich ein Grossteil der kritischen Stimmen nicht gegen «echte» Achtsamkeit, sondern gegen das, was daraus gemacht wird. Jede und jeder versteht und lebt Achtsamkeit ein wenig anders. Und alle dürfen darüber schreiben, sprechen oder sie vermitteln. Gerade im Internet sollte man sich daher vor unseriösen Angeboten in Acht nehmen.
Viele einfache Achtsamkeitsübungen lassen sich ohne Vorbereitung direkt umsetzen. Nehmen Sie sich aber nicht zu viel vor: Machen Sie lieber kleine, dafür stetige Schritte. Nach einer Weile werden Sie zurückblicken und feststellen, was sich – vielleicht beinahe unmerklich – verändert hat. Zum Einstieg eignen sich beispielsweise folgende Übungen:
Wer sich intensiver mit Achtsamkeitsmeditation befassen will, kann beispielsweise über den MBSR-Verband Schweiz Kurse in seiner Region finden. Das Programm erfordert jedoch einiges an Geduld und Ausdauer. Innert acht Wochen werden die Teilnehmenden Schritt für Schritt in die Achtsamkeitspraxis eingeführt.