Fallen Mitarbeitende länger aus, bringt das gerade kleinere Unternehmen schnell in die Bredouille. Mit einem professionellen betrieblichen Gesundheitsmanagement lassen sich Absenzen reduzieren. Das ist zwar nicht gratis, aber langfristig sinnvoll.
Die Intensität der Arbeit hat in den letzten Jahren stetig zugenommen – und das schon vor der Pandemie. Anfang 2020 fühlten sich gemäss Job-Stress-Index der Gesundheitsförderung Schweiz drei von zehn Erwerbstätigen während der Arbeit gestresst, der Trend seit 2014 ist klar negativ. Stress wiederum wirkt sich auf die Gesundheit aus: Schlaflosigkeit und Herzprobleme können die Folge sein, Burnout oder Depressionen. Gerade bei Burnout oder Depressionen sind Mitarbeitende häufig wochen- oder gar monatelang an der Arbeit verhindert – für Unternehmen eine teure Angelegenheit. Experten gehen davon aus, dass jeder ausfallende Mitarbeitende ein Unternehmen täglich 600–1000 Franken kostet. Darin enthalten sind direkte Kosten des Unternehmens, aber auch indirekte Kosten, die beispielsweise durch Überstunden anderer Mitarbeitender entstehen können, durch nötig werdende Umdisponierungen oder Produktionsausfälle. Für die verbliebenden Mitarbeitenden bedeutet jede ausfallende Person zudem eine nicht zu unterschätzende Mehrbelastung.
Es liegt also im betrieblichen Interesse jedes Unternehmens, der Gesundheit der Mitarbeitenden Sorge zu tragen – natürlich ganz abgesehen davon, dass einem das Wohlergehen der Mitarbeitenden meist auch persönlich am Herzen liegt. Grosse Unternehmen haben darum häufig ein internes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), welches mit präventiven Angeboten die Gesundheit der Mitarbeitenden schützt, sich professionell um erkrankte oder verunfallte Mitarbeitende kümmert und diese bei der Wiedereingliederung unterstützt.
KMU hingegen betreiben häufig kein eigenes BGM. «Das betriebliche Gesundheitsmanagement steckt bei KMU häufig noch in den Kinderschuhen, es fehlt an Zeit und Know-how», weiss Dr. Mirjana Tschudi, Dozentin für Gesundheitsförderung an der Fernfachhochschule Schweiz. Das ist deshalb problematisch, weil der Ausfall eines Mitarbeitenden in kleineren Unternehmen ungleich stärker ins Gewicht fällt als in grösseren, wo die Arbeitslast auf mehr Schultern verteilt werden kann. Gerade KMU haben also ein grosses Interesse daran, die Gesundheit der Mitarbeitenden präventiv zu erhalten.
«Bei kleineren Unternehmen bis etwa 25 Mitarbeitende mit einer guten Unternehmenskultur funktioniert das Gesundheitsmanagement häufig noch gut über die persönlichen Beziehungen», so Mirjana Tschudi. Man kennt einander, fragt nach, wie es geht, ist nahe dran, weiss, wer wie oft krank ist. «Sobald jedoch eine gewisse Unternehmensgrösse erreicht wird, ist die Übersicht schnell verloren», so Expertin Tschudi.
Das merkte auch die M&S Software Engineering AG, die in den letzten Jahren schnell gewachsen ist und aktuell über 130 Mitarbeitende zählt. «Wir hatten bisher nie aussergewöhnlich viele Absenzen und gemäss Umfragen auch keine grösseren Probleme mit Stress bei den Mitarbeitenden. Doch aufgrund unseres Wachstums, einiger personeller Wechsel und vieler grösserer, intensiver Projekte wollten wir einmal genauer hinschauen und die Lage analysieren», erzählt der Personalverantwortliche der M&S, Patrick Freiburghaus.
Das taten sie – und nutzten für die Mitarbeitendenbefragung zwei Jahre in Folge den sogenannten Arbeitsklimakompass, ein Partnerangebot der AXA und von DearEmployee. «Für uns war das insbesondere spannend, weil wir die erste Umfrage kurz vor Beginn der Corona-Pandemie durchführten und diesen Frühling dann nochmals. So konnten wir die pandemiebedingten Veränderungen recht klar eingrenzen», erzählt Patrick Freiburghaus. So hätten sich die sehr erfreulichen Werte bei den Gesundheitsthemen der ersten Umfrage nach einem Jahr Pandemie doch etwas verschlechtert; insbesondere jüngere Mitarbeitende oder allein Lebende litten unter der sozialen Isolation.
Patrick Freiburghaus analysierte gemeinsam mit DearEmployee die Ergebnisse der Befragung sorgfältig und leitete daraus einige Massnahmen ab, beispielsweise Workshops für spezifische Mitarbeitendengruppen. Vor allem aber möchte er das Thema BGM nächstens ganzheitlich und professionell angehen – mit einer Strategie, zu welcher sich auch die Geschäftsleitung bekennt und die klare Ziele beinhaltet.
Dieses Vorgehen kann Expertin Mirjana Tschudi nur befürworten. «Wer beim betrieblichen Gesundheitsmanagement etwas bewegen will, sollte sich keinesfalls in einzelnen Massnahmen verlieren, sondern das Thema als Ganzes angehen, sich den Rückhalt aus der Geschäftsleitung sichern und sich auch bewusst sein, dass es etwas kostet», sagt sie. Doch der Aufwand lohne sich.
«Wenn eine Erkrankung erst einmal da ist, können Arbeitgeber nicht mehr viel machen. Viel wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass ein Fall schon gar nicht eintritt. Burnouts beispielsweise bauen sich über ein bis zwei Jahre auf. Das ist viel Zeit, in der den Mitarbeitenden geholfen werden kann, bevor ihre Gesundheit längerfristig beeinträchtigt wird und sie im Geschäft ausfallen.»
M&S Software Engineering AG ist der führende Hersteller von Sozialversicherungslösungen in der Schweiz. Sie entwickelt und unterhält kommerzielle Standardsoftware für die 1. und die 2. Säule. Das Unternehmen beschäftigt über 130 Mitarbeitende in Bern, Schlieren und Chennai (Indien).
Eine gute Unternehmenskultur ist sicher wichtig. Sie gibt Raum, auch über Persönliches zu sprechen, die Frage «Wie geht es dir?» sollte dann auch keine Floskel sein. Doch wenn jemand ernsthafte Probleme hat, wenn es in Richtung Burnout oder Depression geht, sind eben seitens Arbeitnehmer doch häufig Hemmungen da, dies mit der Chefin oder dem Chef zu besprechen. Das sind sehr persönliche Dinge. Und beim einen oder der anderen dürfte auch die Angst mitspielen, die Arbeitsstelle zu verlieren, wenn sie offen und frühzeitig darüber sprechen.
Wichtig ist, seine Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre persönlichen Ressourcen in Einklang zu halten und ihnen dafür Mittel an die Hand zu geben. Je nach Bedürfnis der Mitarbeitenden können das unterschiedliche Angebote in den Bereichen Bewegung, Ernährung oder Entspannung sein. Wichtiger als das konkrete Angebot ist, dass bei den Mitarbeitenden ankommt, dass Sie helfen möchten, dass Sie sich kümmern, dass es in Ihrem Betrieb in Ordnung ist, auch an die eigenen Ressourcen zu denken. In den nächsten Jahren werden auch mehr und mehr digitale BGM-Angebote auf den Markt kommen, die einen solchen Prozess unterstützen.
Digitale Gesundheits-Apps für persönliche Zwecke sind bereits heute stark auf dem Vormarsch. Für das BGM von KMU sind solche digitalen Helfer sehr interessant, weil sie kostengünstig sind und dennoch helfen können, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu erhalten. Wichtig wird bei solchen Angeboten sein, dass sie von den Mitarbeitenden als Hilfe empfunden werden, dass die Anonymität gewahrt wird und dass der Übergang zu physischen Angeboten gewährleistet ist. Denn wenn ich mich einem Burnout nähere, nützt mir die App nicht mehr viel, dann brauche ich mehr und vor allem persönliche Unterstützung.