In der komplexen Welt des Erbrechts sorgt in der Schweiz der Pflichtteil dafür, dass die nächsten Angehörigen nicht leer ausgehen. Ehepartnerinnen, Ehepartner und Nachkommen haben Anspruch auf einen Mindestanteil am Erbe. Wie ist das Recht auf den Pflichtteil gesetzlich geregelt?
Wenn eine Person stirbt, wird sie Erblasserin oder Erblasser. Ihr Vermögen sowie die Schulden (beides als Nachlass bezeichnet) gehen am Todestag auf die gesetzlichen Erbinnen und Erben über. Hat die verstorbene Person jedoch ein schriftliches Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen, kann die gewünschte Verteilung des Nachlasses von der gesetzlichen Erbfolge abweichen.
Jede Erblasserin und jeder Erblasser kann über den eigenen Nachlass verfügen und bestimmen, wer welchen Anteil erhalten soll. Dem sind jedoch gesetzliche Grenzen gesetzt. So kann eine Person nur über einen bestimmten verfügbaren Teil ihres Nachlasses bestimmen (Art. 471 ZGB). Dieser wird als freie Quote bezeichnet. Mehr zum Thema Erbfolge und Erbquoten lesen Sie im Artikel «Erben in der Schweiz: Erbrecht, Erbfolge und Wissenswertes».
Demnach haben Erbinnen und Erben je nach Verwandtschaftsgrad einen gesetzlichen Anspruch auf einen festgelegten Teil des Erbes, den sogenannten Pflichtteil.
Einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch haben nur die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner, die eingetragene Partnerin bzw. der eingetragene Partner und die Nachkommen der verstorbenen Person.
Die Lebenspartnerin bzw. der Lebenspartner sowie die Eltern und Geschwister haben keinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch. Dieser wurde mit der Revision des Erbrechts per Januar 2023 abgeschafft. Mehr zu den Änderungen im Erbrecht erfahren Sie im Artikel «Erben in der Schweiz: Erbrecht, Erbfolge und Wissenswertes».
Der Nachlass einer verstorbenen Person wird grundsätzlich gemäss den gesetzlichen Vorgaben verteilt. So erhält z. B. eine Frau mit zwei Kindern nach dem Versterben ihres Ehemannes 50 Prozent der Erbmasse, während sich die beiden Kinder die restlichen 50 Prozent als gesetzlichen Erbteil teilen.
Die Höhe des Pflichtteils ist gesetzlich festgelegt und hängt von der Konstellation der Erbinnen und Erben ab. Der Pflichtteil der überlebenden Ehepartnerin oder des überlebenden Ehepartners und der hinterbliebenen Nachkommen beträgt jeweils 50 Prozent des oben beschriebenen gesetzlichen Erbteils.
Sie möchten die Erbansprüche Ihrer Erbberechtigten reduzieren oder Erbinnen und Erben ganz vom Erbe ausschliessen? In der Schweiz können Sie dies in gewissen Fällen mit einer letztwilligen Verfügung (Testament) oder einem Erbvertrag regeln.
Mit einer letztwilligen Verfügung (Testament) können Sie Ihren Willen ohne Zustimmung der Erbberechtigten kundtun. Eine Anpassung der Pflichtteile ist jedoch nur in Ausnahmefällen möglich.
Eine Enterbung ist in der Schweiz nur in folgenden Fällen zulässig:
Liegen jedoch nur persönliche Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen der Erblasserin bzw. dem Erblasser und der Erbin bzw. dem Erben vor, ist eine Enterbung in der Schweiz nicht möglich.
Der konkrete Enterbungsgrund muss im Testament festgehalten werden, damit die Enterbung gültig ist. Hält die enterbte Person den Enterbungsgrund für unzulässig, kann sie die Enterbung anfechten. Wurden im Testament die gesetzlichen Pflichtteile verletzt, können diese mit der Herabsetzungsklage angefochten werden (Verjährungsfrist: ein Jahr nach Testamentseröffnung).
In einem Erbvertrag kann ein Pflichtteilsverzicht vereinbart werden, wenn beispielsweise die Nachkommen zugunsten des überlebenden Elternteils auf ihr Erbe verzichten. Damit wird z. B. sichergestellt, dass dieser Elternteil weiterhin in der eigenen Liegenschaft wohnen kann, ohne dass das Erbe an die Nachkommen ausbezahlt werden muss. Ein vorzeitiger Verkauf des Eigenheims kann so vermieden werden. Damit ein Erbvertrag gültig ist, müssen alle Beteiligten zustimmen. Der Vertrag muss zudem notariell beurkundet werden.
Die Erbinnen und Erben haben vor dem Tod der Erblasserin bzw. des Erblassers keinen Anspruch auf ihren Pflichtteil. Mit einem Erbvorbezug kann jedoch ein Teil der Erbschaft vorzeitig bezogen werden. Dies ist aber nur mit Zustimmung der Erblasserin oder des Erblassers möglich. Was Sie dabei beachten müssen, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema Erbvorbezug.
Um die Verteilung Ihres Erbes selbst in die Hand zu nehmen, sollten Sie Ihren Nachlass frühzeitig planen und ein gültiges Testament verfassen. Um Familienstreitigkeiten unter den Erbinnen und Erben zu vermeiden, können Sie auch einen Erbvertrag abschliessen. Darin einigen sich alle Beteiligten auf eine von der Erblasserin oder dem Erblasser bestimmte Verteilung des Nachlasses. Meist wird die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner begünstigt.
Bei einer Erbschaft sollte zudem geprüft werden, ob das Vermögen direkt benötigt wird oder mit einer höheren Rendite angelegt werden kann.