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Was macht Cybermobbing so gefährlich und ab wann ist es strafbar?

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Peinliche Bilder von Kollegen im Chat teilen, Pausenplatz-Schlägereien filmen oder beleidigende Kommentare in den Social-Media-Kanälen: Besonders betroffen von Cybermobbing sind Kinder und Jugendliche, doch auch Erwachsene können online gemobbt werden. Was oft als Hänselei beginnt, kann gravierende Auswirkungen für die Mobbing-Opfer haben und strafbar sein. 

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    Silenccio

    Das Zürcher Start-up Silenccio ist seit 2019 Kooperationspartner der AXA: Katrin Sprenger und Karoline Fuss vom Zürcher Start-up Silenccio beantworten in unserem Interview die wichtigsten Fragen zu Cybermobbing.

Was ist Cybermobbing überhaupt?

Katrin Sprenger: Von Cybermobbing spricht man, wenn eine Person über einen digitalen Kanal und über eine längere Zeit hinweg mit Absicht beleidigt, blossgestellt oder belästigt wird. Cybermobbing kann dabei viele Gesichter haben: von der Verbreitung von Gerüchten und dem Erstellen von beleidigenden Fake-Profilen über das Belästigen oder Bedrohen per SMS bis hin zur Verbreitung von peinlichen oder intimen Bildern.

Neben diesen bekannten Ausprägungen des Cybermobbings gibt es auch weniger bekannte wie z. B. die Erstellung negativer Artikel oder Kommentare, die in Suchmaschinen bei Eingaben in Verbindung mit dem Namen des Opfers als Treffer angegeben werden. Egal in welcher Form gemobbt wird, das Ziel ist immer dasselbe: eine andere Person zu diffamieren.

Was sind die Ursachen von Cybermobbing?

Katrin Sprenger: Ich denke, die Ursachen von Cybermobbing sind dieselben wie beim Mobbing. Tendenziell lässt sich sagen, dass es beim Mobbing immer um die Demonstration von Macht oder die Steigerung des geringen Selbstwertgefühls geht. Die tiefer liegenden Ursachen können vielfältig sein: So spielen zum Beispiel Neid, Rachegelüste oder aber auch einfach die Lust am Quälen häufig eine Rolle. Dass sich Cyber-Mobbing immer stärker ausbreitet, liegt auch darin begründet, dass heutzutage praktisch jede und  jeder ein Smartphone besitzt und so jederzeit und überall mobben kann – ganz egal, wo sich das Opfer befindet. 

Was sind die grössten Gefahren?

Karoline Fuss: Im Gegensatz zum Mobbing in der realen Welt, wo einzelne Vorfälle in der Regel mit der Zeit in  Vergessenheit geraten und sich die Diffamierung «nur» von Mund zu Mund weiterverbreitet, sieht es beim Cyber-Mobbing völlig anders aus: Einmal ins Netz gestellt, kann sich ein Post, ein Kommentar oder ein Bild innerhalb kürzester Zeit weltweit verbreiten. Diese Wege sind kaum nachvollziehbar und die komplette Entfernung der Daten wird schwierig. So kann ein via WhatsApp verschicktes Bild auch nach Jahren noch in einer Cloud gespeichert sein.

Hinzu kommt die Anonymität des Internets. Muss sich die  oder der Mobbende in der realen Welt direkt mit dem Opfer auseinandersetzen, ist die Täterin oder der Täter im Internet anonym und die Hemmschwelle entsprechend tief. Die Täterinnen oder Täter müssen auch heute noch selten befürchten, dass sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden: Das Netz wird fälschlicherweise noch immer als rechtsfreier Raum angesehen.

Was macht Cybermobbing mit den Opfern?

Karoline Fuss: Cybermobbing, wie auch Mobbing im realen Leben, verletzt die Seele und kann schwerwiegende Folgen haben. Neben der sozialen Ausgrenzung kann es zu psychischen und anderen gesundheitlichen Problemen kommen – unter anderem zu Schlafstörungen und Albträumen. Daneben schädigt Mobbing das Selbstwertgefühl und die Selbstachtung, was im schlimmsten Fall zu psychischen Belastungen wie Depressionen und  Angstzuständen führen oder noch fatalere Folgen haben kann.

Wie verbreitet ist Cybermobbing in der Schweiz?

Karoline Fuss: Das lässt sich schwer in Zahlen ausdrücken, da die Grenze zwischen dem, was noch als Spass, und dem, was als Beleidigung empfunden wird, sehr subjektiv sein kann.  Eine Messung der effektiven Opferzahlen ist somit schwierig. Was sich aber festhalten lässt: Cybermobbing fängt genau da an, wo man beginnt, sich bedrängt oder beleidigt zu fühlen.

Die JAMES-Studie der zhaw geht davon aus, dass rund 20 % der Jugendlichen in der Schweiz bereits in einem digitalen Kanal gemobbt wurden.

Etwa jede achte Person hat schon erlebt, dass im Internet Falsches oder Beleidigendes über sich verbreitet wurde. Dass Fotos oder Videos ohne ihre Zustimmung online gestellt wurden, kam bei einem Drittel der Jugendlichen vor (JAMES-Studie 2018).

In einer deutschen Studie gaben 13 % der Schülerinnen und Schüler an, schon einmal als Täterinnen oder Täter an Cybermobbing beteiligt gewesen zu sein. Als Grund nannten die meisten persönliche Auseinandersetzungen mit dem Opfer. Auffallend dabei ist, dass jede fünfte Täterin bzw.  jeder fünfte Täter nach eigener Aussage, selbst schon  Opfer von Cybermobbing war (Cyberlife II-Studie 2017).

Das Perfide am Cybermobbing ist, dass es im Gegensatz zum Offline-Mobbing die Opfer nach Hause verfolgt. Es gibt keine «Pause» und keinen Rückzugsort, das Internet ist überall.

Karoline Fuss, Operations Manager Silenccio

Wie wird gemobbt? Können Sie uns einige Beispiele nennen?

Karoline Fuss: Der klassische Fall ist sicherlich das Mobbing unter Schülern. Eine Schülerin oder ein Schüler entspricht nicht der Norm der Klassengemeinschaft und einzelne Mitschülerinnen oder Mitschüler fangen an, blöde Sprüche auf einem Social Media Profil der betreffenden Schülerin oder des betreffenden Schülers zu posten. Andere sehen das, kommentieren ebenfalls und sehr schnell werden aus blöden Sprüchen tief verletzende Kommentare. Ergänzt vielleicht durch mit dem Handy heimlich aufgenommene Fotos oder Videos – und schon ist das Mobbing am Laufen.

Neben diesem klassischen Fall kann Mobbing auch deutlich subtiler ablaufen: So werden insbesondere bei Erwachsenen solange Lügen und Gerüchte in den sozialen Netzwerken verbreitet, bis das Umfeld des Opfers diese Geschichten glaubt. In vielen Fällen, sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen, spielen Gruppendynamik und der Wunsch der Täter, einer Gruppe anzugehören, eine wichtige Rolle.

Welche Gesetze gibt es in der Schweiz gegen Cybermobbing?

Karoline Fuss:  In der Schweiz gibt es keinen eigenständigen Strafartikel zu Cybermobbing. Dennoch haben Opfer die Möglichkeit Täterinnen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Denn je nach Ausmass und Art des Mobbings liegt durchaus eine Straftat vor, die entsprechend bestraft wird. Beschimpfung, üble Nachrede und Drohungen, klassische Bestandteile des Cybermobbings, gelten im Sinne des Strafgesetzbuchs als Straftat und können mit bis zu 180 Tagessätzen bestraft werden.

Wurde im Zuge des Mobbings z. B. ein Account gehackt und ohne die Zustimmung des Inhabers genutzt, gilt dies als unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem und kann sogar mit Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bestraft werden. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Auch ohne explizite Strafartikel haben Opfer von Cybermobbing durchaus die Chance, sich rechtlich zur Wehr zu setzen.

Wenn Sie Opfer von Cybermobbing werden, ist es wichtig, die Beweismittel sofort per Screenshots zu sichern. Achten Sie darauf, dass der ganze Screen gesichert wird, damit Sie später belegen können, wo der Kommentar oder das Bild veröffentlicht wurde.

Katrin Sprenger, CEO Silenccio

Was kann ich machen, wenn ich Opfer von Cybermobbing werde?

Karoline Fuss: So schlimm die Situation in dem Moment auch ist - es gilt, Ruhe zu bewahren und auf keinen Fall auf negative Kommentare zu antworten. Viel sinnvoller ist es, Beweise (Unterhaltungen, Nachrichten, Bilder) mittels Screenshots sofort zu sichern. Sind die Daten gesichert, sollten Sie die Verursacher auf der entsprechenden Plattform blockieren, um weitere Kommentare zu vermeiden. In einem letzten Schritt sollten Sie soweit möglich alles löschen. Idealerweise erfolgt dann ein klärendes Gespräch mit den Beteiligten. Wenn es im Guten zu keiner Lösung kommt, können Sie Anzeige bei der Polizei erstatten.

Silenccio schützt vor Hasskommentaren im Netz. Wie funktioniert der Präventionsservice?

Katrin Sprenger: Wir setzen auf zwei Funktionen. Einerseits kann die Kundin oder der Kunde ihre bzw. seine Social-Media-Profile mit unserer Plattform verbinden. Andererseits kann sie oder er ergänzend zu ihrem oder seinem Namen Stichworte hinterlegen, die mit ihr oder ihm in Verbindung stehen könnten. Wir durchsuchen regelmässig die hinterlegten Plattformen und das öffentlich zugängliche Internet nach Texten, in denen der Name sowie allfällig hinterlegte Stichwörter und negativ behaftete Wörter auftauchen.

Finden wir einen entsprechenden Textauszug, erhält die Kundin oder der Kunde eine Warnmeldung und kann sich den Fund ansehen. Wird der Text auch  von der Kundin oder vom Kunden als negativ eingestuft, werden wir aktiv und kümmern uns im direkten Kontakt mit der Verfasserin oder dem Verfasser oder der Betreiberin bzw. dem Betreiber der Plattform um die Löschung. Wenn das auch nach wiederholter Aufforderung nicht fruchtet, kann die Kundin oder der Kunde in Zusammenarbeit mit der AXA-ARAG den Rechtsweg einschlagen. 

Gesetze gegen Cyber-Mobbing 

Cyber-Mobbing kann gesetzlich in der Schweiz nicht als Straftat geahndet werden, es existiert kein eigenständiger Gesetzesartikel zu diesem Phänomen. Doch durch folgende Gesetze des Schweizerischen Strafgesetzbuchs wird Internet-Mobbing zur Straftat und Cybermobberinnen und Cybermobber können verklagt werden:

  •  Art. 143, 143bis StGB: Hacken von Passwörtern / unbefugte Datenbeschaffung
  •   Art. 144bis Ziff. 1 StGB: Datenbeschädigung
  • Art. 156 StGB: Erpressung
  • Art. 173 StGB: Üble Nachrede
  • Art. 174 StGB: Verleumdung
  •  Art. 177 StGB: Beschimpfung
  • Art. 179 StGB: Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte
  • Art. 179 StGB: Unbefugtes Beschaffen von Personendaten
  • Art. 180 StGB: Drohung
  • Art. 181 StGB: Nötigung 

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