Professionell Fussball spielen und Vollzeit arbeiten: Geht das? Wir haben mit Jessica Schärer, Spielerin des FC Rapperswil-Jona, über die Herausforderung gesprochen, den Alltag zwischen Arbeit und Sport zu bewältigen. Die wichtigsten Inputs und Tipps für die optimale Balance haben wir in diesem Blog zusammengefasst.
Die Liebesgeschichte von Jessica Schärer und dem Fussball begann vor mehr als 14 Jahren in Goldach. Bevor die heutige Mittelfeldspielerin des FC Rapperswil-Jona das erste Mal den Ball berührte, stand sie oft am Spielfeldrand, um ihren Vater auf dem Platz zu beobachten. Doch nicht nur ihr Vater, sondern ihre ganze Familie war und ist fussballverrückt.
Kein Wunder also, dass sie im Alter von 4 Jahren selbst mit dem Fussballspielen begann und verschiedene Vereine wie den FC St. Gallen-Staad und den Grasshopper Club Zürich durchlief. Doch nicht alles klappte reibungslos: Ein Kreuzbandriss stoppte ihre Fussballkarriere vorübergehend, danach bekam sie bei GC keine Spielzeit mehr: ein Grund, den Verein zu wechseln. So landete Jessica schliesslich beim FC Rapperswil-Jona, damals Zweitligist mit der Ambition, in die AXA Women’s Super League aufzusteigen. Von der ersten Liga zu einem niederklassigen Verein zu wechseln – eine mutige Entscheidung, die sich ausgezahlt hat: Gemeinsam mit ihrem Team gelang der Aufstieg in die AXA Women’s Super League – einer der grössten Erfolge in ihrer Karriere.
Jessica Schärer jongliert nicht nur mit dem Fussball, sondern auch mit Haushalt, Freizeit und Job. Denn wer in der höchsten Schweizer Frauenfussball-Liga spielt, muss nebenbei noch Vollzeit arbeiten. Von 6 bis 15 Uhr arbeitet Jessica im 90-Prozent-Pensum als Malerin/Lackiererin bei der Vogel Fensterbauer AG. Danach hat sie zwei Stunden Freizeit, die sie entweder für den Haushalt oder zur Erholung nutzt. Um 17 Uhr macht sie sich auf den Weg zum Training, wirklich Feierabend hat sie erst gegen 22.30 Uhr. So sieht der Alltag der Spielerin an vier Tagen pro Woche aus. Steht ein Match an, steht sie früh auf, um draussen Sport zu treiben, frühstückt und bereitet sich auf einen aufregenden Tag vor.
«Es ist sicher nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Aber dass mich meine Arbeitgeberin unterstützt, macht es viel einfacher.»
Um diesen anspruchsvollen Alltag zu meistern, braucht es eine gehörige Portion Willenskraft, Organisationstalent und Unterstützung. Genau diese Unterstützung erhält Jessica Schärer von ihrer Arbeitgeberin. Sie gewährt ihr die notwendige Flexibilität und Freiheit – sei es, um später zur Arbeit zu kommen oder früher nach Hause zu gehen.
Um Sport, Arbeit, Freundinnen und Freunde und alles andere im Alltag unter einen Hut zu bringen, braucht es viel Disziplin und Leidenschaft. Hier sind Jessica Schärers Tipps für eine «Work-Sports-Life-Balance» – auch für Nicht-Fussballerinnen:
Auf und neben dem Platz ist Jessica Schärer als Fussballerin und Malerin in zwei immer noch als Männerdomänen angesehenen Branchen zuhause. «Für mich war das nie ein Problem», meint sie. Zum einen sind immer mehr Frauen in ihrem Berufsfeld präsent. Zum anderen spielte sie bereits früh in Jungenmannschaften Fussball und hatte von Anfang an ein gutes Verhältnis zu ihren männlichen Teamkollegen.
«Ich habe früh gelernt, mich zu verteidigen und mich durchzusetzen, wenn etwas nicht richtig war, oder auch mal auf den Tisch zu hauen.»
Basierend auf ihren eigenen Erfahrungen und ihrer Einstellung möchte sie jungen Mädchen, die ebenfalls Fussball spielen, dasselbe vermitteln. Selbst wenn der Weg steinig ist, sollte man nie das Ziel aus den Augen verlieren, nicht verzweifeln und für den Erfolg kämpfen.
Wenn Jessica Schärer in die Zukunft blickt, hat sie ein klares Ziel vor Augen: Sie will nach Italien gehen und dort Profifussball spielen. Nicht nur, weil dort die Bedingungen im Frauenfussball besser sind, sondern auch, um neue Erfahrungen zu sammeln und Abenteuer zu erleben. Doch ihre Ambitionen reichen weiter: Jessica ist der Meinung, dass sich der Sport in den letzten Jahren weiterentwickelt und die Qualität des Spiels zugenommen hat. Sie wünscht sich: «Es wäre toll, wenn mehr Zuschauerinnen und Zuschauer zu den Spielen kämen, damit der Frauenfussball in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung erhält – und so für die Spielerinnen auch finanziell attraktiver wird.